Die Umbaupläne für das ZAM sind seit Juli eingereicht und die Planungen für die Innengestaltung laufen. Seit einer Weile trifft sich einmal wöchentlich die Planungsgruppe Gestaltung zum Austausch über Mobiliar, Werkstattausstattung, Leitsystem. So viel wie möglich selber machen, ist dabei unser Leitgedanke. Blicke über den eigenen Tellerrand helfen herauszufinden, was gewünscht, praktikabel und gewollt ist und was eher nicht. Und natürlich sind wir neugierig und wollen wissen: Wie machen es andere Makerspaces, Coworking Labs, Werkstattinitiativen? Nach unserem Besuch im Juli im Heilbronner Science Center und dem dortigen Makerspace haben wir an einem Freitag im Oktober eine Tagestour nach Garching und München unternommen…
Der TUM Makerspace am Forschungscampus Garching
Die Wasserstrahlschneidmaschine ist ziemlich beeindruckend, nicht nur was ihre Größe betrifft, auch ihr Einsatzbereich ist es. Denn sie kann mit einem feinen Gemisch aus Wasser und Sand aus beliebigen Materialien – ob aus Stein, Metall, Gummi oder Laptops – saubere und detailgetreue Schnitte machen. Die BMW-Ingenieure „von nebenan“ kämen oft hierher in den TUM Makerspace am Forschungscampus Garching und nutzten die Maschine, z. B. für die Entwicklung von Prototypen, erklärt Stephan Augustin, Industrial Designer Research & New Technologies bei BMW, Erfinder des „Watercone“ und Entwickler des „curfboard“. Stephan gibt uns an diesem Vormittag einen umfassenden Einblick in den 1.500 qm großen Makerspace, der zur gemeinnützigen UnternehmerTUM GmbH gehört und 2019 einen zweiten High-Tech-Ableger mit dem Munich Urban Colab in der Freddy-Mercury-Straße ausgegründet hat.
Das Colab werden wir am späteren Nachmittag noch besuchen. Hier wie dort sind auf großzügigen Grundrissen – in Garching ein-, in der Stadt zweigeschossig – hypermoderne Gebäude entstanden, die ihre Werkstätten für Holz, Metall, Elektronik und Textil umfassend mit Maschinen und Technologie ausgestattet haben. Das unterscheidet uns schon einmal grundlegend, denn das ZAM muss sich aus dem Bestand entwickeln, das Innere sozusagen der Hülle folgen. Damit sind wir dem Haus der Eigenarbeit näher, auch das werden wir später noch besuchen. In Garching staunen wir ob der Hochwertigkeit der Maschinen: Da steht z. B. nicht nur ein Lasercutter, sondern gleich drei nebeneinander und dann auch gleich die High-End-Version. In der Metallwerkstatt treffen wir auf einen geschäftigen Mittfünfziger, der an der CNC-Fräse Carbonflügel für ein Modellflugzeug schneidet – das fertige Modell wird ein Geburtstagsgeschenk für seine Tochter, die Wettbewerbe fliegt und alle zwei bis drei Jahre einen neuen Flieger benötigt, natürlich jeweils auf neuestem Stand der Technik.
In der Holzwerkstatt blickt man bei der Arbeit an der Oberfräse direkt ins Grüne durch die geschosshohen Fensterflächen. Alles hier wirkt licht, groß und weitläufig, die Maschinen sind über den Raum verteilt, personalisierte Maschinenzugänge verhindern, dass nicht eingewiesene Personen sie eigenständig bedienen können. Auf unsere Rückfrage zur Zielgruppe erklärt Stephan, dass der Makerspace ambitionierte Studierende ebenso anspreche wie Professionals, Kunstschaffende ebenso wie Selbstständige. Ein klarer Fokus liege dabei auf dem Start-Up-Gedanken, das sei schon in der Zugehörigkeit zur UnternehmerTUM GmbH begründet.
Die Hall of Fame in Gestalt eines Regals mit den Exponaten erfolgreicher Gründungen zeigt dann auch ein breites Portfolio: von Flixbus über die Trend-Trinkflasche air up® bis zu ProGlove, einem Handschuh mit integriertem Barcode-Scanner, zeitsparend eingesetzt in der Logistik für das massenweise Scannen von Produkten, sind hier schon eine ganze Reihe von Produktenwicklungen auf die weltweiten Absatzmärkte gebracht worden. Vielfach werden im Makerspace auch Firmenveranstaltungen abgehalten, über ein bis zwei Tage; dann seien die Werkstätten für die Mitglieder auch schonmal nur eingeschränkt nutzbar.
Das HEi – Haus der Eigenarbeit
Nach diesen ersten Eindrücken verabschieden wir uns und steigen in die U-Bahn Richtung Innenstadt. Gleich nach der Mittagspause heißt es dann: Heieiei … Im Haus der Eigenarbeit, kurz: HEi, hat man doch glatt vergessen, dass wir für heute angemeldet waren. Nach kurzer Irritation werden wir dann aber umso auskunftsfreudiger von den Mitarbeitenden durch das Haus geführt, das es seit Mitte der 1990er Jahre an ebendieser Stelle gibt und das wirklich ein ganz echtes Haus mit Erdgeschoss, Obergeschoss und Keller ist. Wer schon einmal im Hiša eksperimentov, dem Haus der Experimente in Ljubljana war, fühlt sich unwillkürlich daran erinnert.
Das HEi wird wie das ZAM getragen von einem Verein und gefördert durch die anstiftung sowie durch die Stadt München, die außerdem über ihr städtisches Beschäftigungs- und Qualifizierungsprogramm auch einen Großteil der im HEi zurzeit über 30 Beschäftigten fördert. Im Selbstverständnis des HEi heißt Eigenarbeit „Produktiv tätig werden im eigenen Auftrag und zum eigenen Nutzen“. Angesprochen sind alle Menschen und im Kern geht es um das Entwickeln und Üben von praktischen Fähigkeiten. Dies geschieht in der Holzwerkstatt, an die eine kleine Werkstatt zum Schweißen angegliedert ist, ebenso wie im Obergeschoss, wo es einen Multifunktionsraum gibt, in dem Lötarbeiten, aber auch Tanzkurse stattfinden können. In einer abgetrennten Raumecke ist eine kleine Sattlerei und Polsterei untergebracht. Folgt man einem schmalen, verwinkelten Gang, gelangt man in das Repair Cafè. Im Keller befinden sich eine große Töpfer- und Keramikwerkstatt sowie die Schmuckwerkstatt und das Fotolabor. Eine größere Papierwerkstatt, in der eine Buchbinderin regelmäßig Kurse anbietet, grenzt direkt an.
Überhaupt Kurse: Das HEi setzt viel auf Angebote für Kinder und Jugendliche und macht damit gute Erfahrungen, ob in der Holzwerkstatt oder beim Töpfern. Insgesamt ist hier viel möglich, auf begrenztem Platz; jeder Winkel wird genutzt, stellenweise vermeint man ins Materialchaos zu blicken, doch alles hat seine Ordnung. Das HEi wirkt wie der Gegenentwurf zum High-End-Makerspace in Garching, hier hat die Digitalisierung egal in welchem Bereich scheint’s noch wenig Einzug gehalten; auch die Öffnungszeiten sind wesentlich reduzierter. Es erstaunt uns, wie wenig los ist, obwohl das Wochenende doch vor der Türe steht. Wir fragen nach und bekommen wie auch schon in Garching zur Antwort, dass immer noch deutlich weniger Besucher:innen als „vor Corona“ kommen. Die Lücke, die die Pandemie gerissen habe, sei noch längst nicht wieder geschlossen und man überlege sich aktuell Maßnahmen, um dem entgegenzuwirken. Beim Bürger:innenfest vor Kurzem sei man schon aktiv geworden.
Das Munich Urban Colab
Nach einer abschließenden Kaffeepause (der Kuchen auf der Theke war leider für den Geburtstag eines Kollegen reserviert) machen wir uns auf den Weg zu unserem nächsten Termin. Das Munich Urban Colab in der Freddie-Mercury-Straße 5 ist die jüngste Ausgründung von UnternehmerTUM zusammen mit der Landeshauptstadt und 2019 an den Start gegangen.
Wir werfen einen Blick in die umfassend ausgestattete Textilwerkstatt, in dem die Werkstattleiterin einer Teilnehmerin gerade Tipps an der Ledernähmaschine gibt. Auch in diesem Space werden in- und außerhalb der Werkstätten Co-Working und die Start-up-Mentalität groß geschrieben, darüber hinaus sind es qualifizierte Trainer:innen, die den Mitgliedern Unterstützung bei ihren Projekten anbieten. An die Textilwerkstatt grenzen zwei Labore für IoT und Robotik – gegenüber können sich Unternehmen auf Zeit in abgetrennten Workspaces einmieten. Im Elektroniklabor herrscht penible Ordnung, ein Bestückungsautomat harrt der Leiterplatten für Protoypen, die da kommen mögen. Im Erdgeschoss des Colab arbeitet ein 2-Mann-Team an der Weiterentwicklung eines Prototypen für ein modulares Containerschiffkonzept, das ohne fossile Brennstoffe mit einem Kite-System unter Nutzung der Windkraft angetrieben werden soll.
Die WerkBox3
Letzter Halt an diesem Tag ist schließlich die Werkbox3 und das ist noch einmal ein besonderes Highlight. Hier haben wir vorab keinen Termin vereinbart, das macht aber rein gar nichts. Wir werden freundlich empfangen und man nimmt sich knapp zwei Stunden Zeit für uns.
Die WerkBox3 wird von einem gemeinnützigen Verein und ausschließlich ehrenamtlich getragen. Das Konzept sieht vor, dass Nutzer:innen einen Lagerort in verschiedenen Größen (von einer größeren Kiste bis hin zu einem ganzen Raum – “Bude” genannt) mieten können und damit Zugang zur Werkstatt bekommen. Alle Lagerboxen und Räume werden von den Nutzer:innen selbst gestaltet, was ein sehr individuelles Bild abgibt. Die Werkstatt wird gemeinschaftlich finanziert. Auf diese Weise erwirtschaftet der Verein Miete, Nebenkosten und Ausstattung komplett selbst, was eine ziemlich tolle Leistung ist, wie wir finden. Vielleicht ist das auch der Grund für die starke Gemeinschaft, die hier sehr spürbar ist – und dass, obwohl während unseres Besuchs nur eine Handvoll Mitglieder vor Ort war. Auf der Strecke bleibt damit leider die Offenheit für externe Interessierte (ohne Mitgliedschaft), denn außer zwei regelmäßigen Terminen, das Repair Café und die Fahrrad Werkstatt, ist die WerkBox3 primär für deren Mitglieder da.
Chris, Lena, Daniela, Jochen, Heike, Katharina, Conrad, Julian, Anne, Maik (v.l.n.r.)
Fazit von unserem Besuch in Garching und München: Wir haben einen sehr abwechslungsreichen Tag in diesen vier so unterschiedlichen Makerspaces erlebt. Viel gab es zu sehen (und viel zu laufen), wir sind mit den unterschiedlichsten Menschen ins Gespräch gekommen, haben tolle Impulse bekommen und nehmen eine ganze Handvoll Ideen und Anregungen für das ZAM mit nach Hause.