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Am 24. März 2022 hat Fungarium zum ersten Bio-Workshop rund ums Wurzelwerk der Pilze eingeladen.

Fünfundzwanzig Grad Celsius Tag und Nacht, mildes Seeklima mit achtzig Prozent Luftfeuchtigkeit, Störungen weitgehend ausgeschlossen – nein, ich beschreibe nicht den klassischen Traumurlaub unter Palmen, sondern das Klima in den schwarzen Würfelzelten des Fungarium, tief im ZAM. Dort liegen jetzt unsere Förmchen, bis zum Rand mit Myzel (“die Wurzeln der Pilze”) gefüllt, wie damals im Sandkasten, und wir haben die Hoffnung, in etwa zwei Wochen dort eine Art Bio-Styropor aus den Metallregalen zu ziehen. Wenn alles gut läuft und wir keine Verunreinigung in die Formen mit ausgesät haben, dann erwarten uns gleichmässig von den feinen Wurzelfäden der Pilze durchzogene und zu homogenen Blöcken verbackene Werkstücke in ganz unterschiedlichen Dimensionen, mit denen wir dann im zweiten Teil des Workshops in einiger Zeit Dinge bauen wollen. Oder ist uns vielleicht doch eher nach Austern- oder Shiitake-Pilzen für den Salat? Je nachdem, ob wir das Trocknen einleiten oder aber das Pilzklima fortdauern lassen, erhalten wir das eine oder das andere Produkt.

Viel ist erstaunlich und ungewohnt an diesem Abend. Beispielsweise die hohe Sorgfalt, die aufgewendet werden muss, um mit laminarer Luftströmung im Arbeitsbereich Verunreinigungen von Petrischalen voller Nährsubstrat fernzuhalten. Die Gummihandschuhe. Das ständige Sterilisieren von Skalpellen mit dem Gasbrenner, vor jedem Arbeitsschritt. Das Ver- und Entsiegeln von Arbeitsgefässen. Der Aufwand, der getrieben wird, um mit Atomizern die richtige Luftfeuchtigkeit in den Zelten einzustellen. Und schliesslich – das lange Warten aufs Ergebnis (in diesem Fall mindestens zwei Wochen) zusammen mit der ganzen Ungewissheit, ob das Ergebnis denn “stimmen” wird. Ich verstehe, warum das Bio-Tüfteln so schwer Eingang in die Schulen, Museen und Science Centers findet, und warum es selbst in den meisten Fab Labs und Makerspaces nur ein Schattendasein fristet. Im Vergleich zu allem, was programmierbar oder numerisch zu steuern ist, oder was als Pinselstrich aus der Hand fliesst, sind natürliche (Wachstums-)prozesse so etwas wie schwarze Kisten – für Überraschungen gut, nicht zu beschleunigen, mindestens Geduld fordernd und manchmal auch Demut.

Doch wenn die Begeisterung der präsentierenden Akteure – gestern waren es Luis und Ruben – fast handgreiflich in der Luft liegt und mit hoher Professionalität zusammengeht, dann spielt das keine Rolle, dann tun sich nach anfänglichem Zögern tatsächlich neue Räume auf. Wir haben uns gemeinsam irgendwann freigespielt. Barbara hat Plastikfolie zu Kegeln genäht, (hoffentlich) desinfiziert, umgestülpt und mit Myzelsubstrat gefüllt. Alle Signale, die man mit den Fingern einer Hand senden kann, wurden mit gefüllten Gummihandschuhen nachgestellt. Mit einer versenkten Sektflasche hat Ruben einen Flaschenkühler auf den Weg gebracht und ich will schauen, ob sich eine ins Substrat eingebettete 3D-gedruckte Figur abformen lässt. Kurz: Wir sind hier auf einem spannenden Weg in ein gestalterisch-ernährungstechnisches Neuland, und wenig kann uns stoppen, denn der Funke ist übergesprungen. Ein natürliches Baumaterial wartet darauf, von uns im ZAM entdeckt und erschlossen zu werden. Seid dabei, wenn wir im zweiten Teil des Workshops alles auf den Tisch legen und weiter machen beim Erforschen eines mehr als erstaunlichen (Werk-)Stoffes.